Perus Wirtschaftsförderer vermarkten alte Pflanzensorten als teure Gesundheitsprodukte – mit Erfolg.
Für ein Land, das vor allem aus Wüste, zerklüftetem Hochgebirge und dichtem Regenwald besteht, ist es bemerkenswert, dass es sich als Garten Eden für die Welt verkauft. So zumindest präsentiert sich Peru auf Fachmessen wie der Fruit Logistica in Berlin. Die jeweiligen Außenhandels- und Tourismusminister kommen ins Schwärmen, wenn sie die Länge ihres Spargels, die Süße ihrer Mangos und den Eiweißgehalt ihres Quinoa-Korns anpreisen.
Noch mehr freuen sie sich, wenn sie die dazugehörigen Exportzahlen nennen: In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Lebensmittelexporte Perus etwas mehr als verdoppelt, was wesentlich an solchen neu eingeführten Produkten liegt. Das ergibt sich aus den Zahlen des Außenhandels- und Tourismusministeriums.
Seit zwei Jahren setzen peruanische Wirtschaftsförderer auf den Fitnesstrend im reicheren Norden und bewerben landwirtschaftliche Erzeugnisse als “Superfood”. Darunter fällt so ziemlich alles, was Peru hergibt: der im Extensivanbau mit künstlicher Bewässerung von ausländischen Multis produzierte Spargel und die Artischocken ebenso wie die Biobanane von der Genossenschaft, die Quinoa vom Kleinbauern aus dem Hochland oder die Sardinen, die es nicht bis in die Fischmehlfabrik geschafft haben und nun als nährstoffreiche Delikatesse direkt vermarktet werden.
“Dank unserer offensiven Superfood-Kampagne erwarten wir dieses Jahr ein Rekordwachstum für landwirtschaftliche Produkte”, sagte im Februar 2018 der Außenhandels- und Tourismusminister Edoardo Ferreyros Küppers.
Besonders beliebt sind auch in Deutschland die exotisch klingenden Getreidesorten aus den Anden: Quinoa und Kiwicha fürs Müsli; die Maca-Knolle, die wegen ihrer angeblich potenzsteigernden Wirkung auch Andenviagra genannt wird; die Amazonasnuss Sacha Inchi, die vor Alterserscheinungen und Demenz schützen soll, oder der Vitamin-C-Hit Camu Camu. Alles, was in den Hochanden oder im Amazonaswald seit je wächst und bis vor Kurzem eher als Arme-Leute-Essen verpönt war, erfährt als “Superfood” ein internationales Revival. Quinoa und Kiwicha (Amaranth) klingen nach der Weisheit der alten Inka, nach unverdorbenem Leben und verheißen dem Verbraucher im fernen Europa Fitness. Dem sie exportierenden Land versprechen sie Wohlstand und Entwicklung.
Das hat nicht immer geklappt, obwohl das älteste peruanische Superfood einst Europa ernährt hat. Vor 500 Jahren brachten die Spanier die Knolle aus den Anden nach Europa, dort wurde sie rasch heimisch und bewahrte Zigtausende vor dem Hungertod. Die Kartoffel gezüchtet und weiterverarbeitet haben andere, nicht die Peruaner.
Perus Bauern sind im Kartoffelgeschäft von heute nicht wettbewerbsfähig: “Die Preise für Kartoffeln sind so niedrig, dass es sich nicht lohnt, sie vom Feld zu ernten”, sagt Bauer Pedro Torres auf seinem Kartoffelfeld auf 3.400 Meter Höhe.
Der Kartoffelkonsum der Peruaner ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen, aber für den Export sind die peruanischen Kartoffeln zu wenig standardisiert und aufgrund ihrer geografischen Unzugänglichkeit auch nicht wettbewerbsfähig mit niederländischen Ackerkartoffeln. Heute exportiert Peru noch ein paar Tonnen Kartoffeln nach Brasilien; dafür importiert es 30.000 Tonnen vorgeschnittene und vorfrittierte Pommes-Sticks, vornehmlich aus den Niederlanden und Belgien.
“Ein Gutes haben die Proteste der Kartoffelbauern immerhin gehabt: Peruanische Unternehmer überlegen ernsthaft, ob sie in eine Pommes-Fabrik in Peru investieren”, sagt der Ökonom Greg Scott von der Business-Hochschule Centrum der Katholischen Universität Peru, der seit 40 Jahren den peruanischen Kartoffelmarkt beobachtet. “Allerdings ist es viel einfacher und billiger, in den Niederlanden anzurufen und ein paar Tonnen Fritten mehr zu bestellen.”
Könnte das auch den neuen Superfoods wie Quinoa passieren? 2013 rief die Welternährungsorganisation FAO das Jahr der Quinoa aus. In Südamerika dominierten linke Regierungen, angeführt von der aufstrebenden Hegemonialmacht Brasilien.
Präsident der FAO war (und ist immer noch) ein ehemaliger Minister des brasilianischen Ex-Präsidenten Lula, der flugs den bolivianischen Präsidenten Evo Morales und die damalige First Lady Perus, Nadine Heredia de Humala, zu Quinoa-Botschaftern ernannte und sie mit der Message um die Welt schickte, dass die Lösung für den Hunger in der Welt aus den Anden komme.
Der Werbefeldzug bestärkte eine bereits vorhandene Tendenz bei nordamerikanischen und europäischen Konsumenten hin zu gesundem und glutenfreiem Essen: Zwischendurch wurde der Rohstoff sogar knapp, der Preis schnellte in die Höhe auf das Vierfache, erreichte vier Dollar pro Kilo. Erstmals hatten die Kleinbauern in den Anden einen realen Wettbewerbsvorteil – der allerdings schnell verloren ging. Angezogen vom guten Geschäft, sattelten Landwirte in und außerhalb Perus auf Quinoa um.
Heute bekommt der Bauer in den Anden etwa 1,30 Dollar für ein Kilogramm Quinoa. “Der Preis ist heute hart an der Grenze, ab der es sich für die kleinen Bauern nicht mehr lohnt”, sagt Frank Schreiber, ein Experte für Bioprodukte in Peru, der auch für deutsche Quinoa-Importeure arbeitet. Das Quinoa-Korn von den Kleinbauern aus den Hochanden ist zwar pestizidfrei und größer – aber der Konsument in Europa erfährt von solchen Unterschieden im Zweifelsfall nichts.
“Es hat mich erstaunt, wie schwierig es ist, sich auf eine gemeinsame Herkunftsmarke zu einigen”, erzählt die Ethnologin Emma McDonell von der Universität Indiana in den USA. Sie forscht für ihre Doktorarbeit über den Quinoa-Boom in Peru. Die kleinen Einzelproduzenten wollten ihren Kostenbeitrag für die Markenpflege von der Produktionsmenge abhängig machen, um nicht benachteiligt zu werden. Die großen Genossenschaften wollten einen Einheitsbeitrag, weil das günstiger für sie ist.
“Die verschiedenen Produzenten sind so schwer unter einen Hut zu bringen”, sagt McDonell. Dabei garantiert nur eine gemeinsame Herkunftsmarke die Originalität der Quinoa aus den Hochanden. So wie echter Champagner nur aus der Region Champagne kommt und Darjeeling-Tee nur aus dem gleichnamigen Himalaya-Gebiet.
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Es könnte allerdings dafür bereits zu spät sein. Denn so wie Kartoffeln im großen Stil nicht mehr in Peru, sondern in den Niederlanden angebaut werden, so ist Indien heute führend im Anbau von Amaranth. Peru und das Nachbarland Bolivien sind zwar noch bei Weitem die wichtigsten Lieferanten von Quinoa, aber das Andenkorn wird laut FAO inzwischen in 70 Ländern angebaut. Tendenz steigend.
Ein kleiner Lichtblick für den peruanischen Kartoffelmarkt sind heute die alten andinen Sorten, die von einigen Bauern im Hochland erhalten werden. Die Genossenschaft Agropia im peruanischen Huancayo stellt daraus Kartoffelchips her und exportiert sie an Fair-Trade-Geschäfte in Frankreich und Deutschland. Dort sind einige Menschen bereit, ein paar Euro für 100 Gramm exotische blaue und rote Chips aus den Anden auf den Tisch zu legen und Pedro Torres’ Liebe zu seinen Kartoffeln im fernen Peru zu entlohnen.
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